Wer draußen noch vor hohen Mauern und elektrischem Tor stand, wird drinnen mit offenen Armen empfangen und bekommt sogleich eine Mala umgehängt, den hinduistischen Rosenkranz aus 108 Perlen. Alle, die mit der ‚Share Happiness Foundation‘ in Berührung kommen, würden Teil der Familie, erklärt Lisa Ofner. Das sei erkennbar an der Mala um den Hals, ihrem Bundeszeichen. Im Hintergrund singen derweil gedämpfte Mönchsstimmen ein tibetanisches Gebetsmantra. E-Mails unterzeichnen die Ofners übrigens ‚Mit freundlichen Grüßen und Namaste‘, dem hinduistischen Gruß.
‚Wir sind alle eine Big Family dort unten‘, sagt Simone Ofner. ‚Der Nepalese ist ja so ein unverdorbener Mensch. Das ist wirklich eine der liebenswürdigsten Nationen der Welt.‘ Entsprechend familiär sind die Umgangsformen der Ofners im südasiatischen Nepal: Ganz formlos als ‚Papa‘ angesprochen werde Oberhaupt Jochen Ofner. Wenn jemand zwischen Kathmandu und Dhunkarka nach ‚Mommy‘ frage, dann sei Charity-Mutter Simone Ofner gemeint. Die 55-Jährige initiierte die Hilfsprojekte quasi heimlich, indem sie ihren Gatten aus dem Luxushotel ins Armenviertel lockte. Das sei ein absolutes Schlüsselerlebnis für ihn gewesen. Zu guter Letzt sind da noch die ‚Sisters‘ Lisa und Stefanie Ofner, sowie ihr Bruder Nicolay Ofner. Die drei wollen eine Brücke zur Jugend schlagen, indem sie frischen Wind ins eingerostete Charity-Gerüst bringen. Jeder könne seinen Beitrag leisten, auch junge Leute. Wenn sie beim Ausgehen in Münchner Clubs auf ihre Stiftung angesprochen würden, merkten die Gleichaltrigen schnell: ‚Die sind ja in unserem Alter.‘
Trotz jugendlichem Image – das Heft aus der Hand geben will Jochen Ofner deshalb noch lange nicht: ‚Die Saat ist gestreut, nun gedeiht die Blume.‘ Mit diesem Bild beschreibt er, wie die Elterngeneration der Ofners ihre Mission an die Kinder weiterreicht. Damit dieser Schritt gelang, wünschte er sich zum 60. Geburtstag nur eines: Die ganze Familie reiste zusammen nach Nepal. Bei diesem Besuch hätten sich Lisa, Stefanie und Nicolay dann sofort in Land und Leute verliebt. Die Saat ging auf.
Mit leeren Händen waren sie aber nicht gekommen, sondern brachten zum Einstand gleich 600 Kilogramm Altkleider mit, die dank eines Facebook-Aufrufs zusammen gekommen waren. Der Transport gelang, weil ein Freund bei der Fluglinie ein Auge zudrückte. Weitere Hilfsgüter wurden vor Ort gekauft: Ganze Einkaufswagen, über den Rand gefüllt, um neben dem Import auch die Wirtschaft vor Ort anzukurbeln. Die Früchte der Aktion sind in einem Hochglanz-Album festgehalten: Ein Mädchen strahlt übers ganze Gesicht, vor Freude über ihr neues Karo-Kleid. Ein anderes Straßenkind, das ebenfalls beschenkt wurde, betet unter Tränen zum Himmel. Nicolay Ofner steht mit einer Tüte Süßigkeiten im Slum, von unten recken sich ihm kleine Arme entgegen. Zum Ausgleich wurden auch Zahnpastatuben und Zahnbürsten ausgeteilt, jedes Kind hält ein glänzendes Produkt in der Hand. ‚Man kann’s so gar nicht fassen‘, findet Jochen Ofner. ‚Aber die Bilder sprechen für sich.‘
Er hatte 2009 eine Krankenstation besucht, die ein Freund als Dank für die Rettung seiner verunglückten Frau in Nepal bauen ließ. Nur ein Jahr später – 30 Kilometer von Kathmandu und 2000 Meter über dem Meeresspiegel – begannen die Arbeiten an einer eigenen Krankenstation der Ofners. Jenes Jahr, zwischen erstem Nepal-Besuch und Grundsteinlegung, dürfte in Tagen aber kaum messbar sein. Denn noch bevor es eine Stiftung gab, verloren die Ofners ihr viertes Kind: Die damals 16-jährige Maicen. ‚Dieser Schicksalsschlag hat unser Leben auf den Kopf gestellt‘, sagt Simone Ofner. Durch den Verlust seien sie aber auch offener geworden und hätten eine ‚wahnsinnige Energie‘ verspürt. Die drei Frauen sind sich einig, dass sie durch den Bau der Krankenstation in Maicens Namen besser mit ihrer Trauer fertig geworden seien. Nur Jochen Ofner verneint das mit einem stillen Kopfschütteln.
Seit der Einweihung der Krankenstation 2011 wird dort an der Stupa, einem buddhistischen Schrein, mit einer Gedenktafel an Maicen Ofner erinnert. Ihre Hilfsbereitschaft soll als ‚leitendes Licht‘ dienen. Die Ofners trugen zur Feier rote Punkte auf der Stirn und Blumenkränze um den Hals. ‚Share Happiness‘, das sei Maicens Lebensmotto entnommen, wie es auf ihrer immer noch aktiven Facebook-Seite steht: ‚Glück ist das Einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.‘ Diese Weisheit seiner Tochter hat sich für Jochen Ofner als wahr erwiesen. ‚Für mich ist das der Sinn des Lebens‘, sagt er, ‚ich will schenken, um glücklicher zu werden. Man selbst hat doch die größte Freude daran, etwas herzuschenken.‘ Und Maicen habe diese Idee bereits gelebt. In einer nepalesischen Grundschule, die von der Foundation saniert und vergrößert wurde, gibt es deshalb ebenfalls einen Gedenkstein – und den ‚Maicen-Floor‘: der Gang, über den die Schüler zum Klassenzimmer laufen.
Inzwischen ist der Fokus von Krankenstationen hin zu Bildungsstätten geschwenkt, um die Nachhaltigkeit der Projekte zu garantieren. Das ist das Zuständigkeitsgebiet von Simone Ofner. ‚Die beste Consulterin in meinem Leben!‘, preist Jochen Ofner den Rat seiner Frau. Sie kümmere sich darum, dass die Unterstützung der Stiftung die Nepalesen auch zur Selbsthilfe anleite. Die Kinder etwa, die von der Organisation Pam aufgenommen werden, müssten eigentlich mit ihren straffälligen Eltern ins Gefängnis – so wird es in Nepal gehandhabt. In dem Waisenhaus, das Share Happiness unterstützt, dürften sie sich jedoch im Judo üben, statt einzusitzen. Eines der Mädchen nehme sogar 2020 an den Olympischen Spielen teil.
Nach dem Erdbeben von 2015 hingegen musste akut und sofort geholfen werden, viele Nepalesen lebten nur noch in eingefallenen Ruinen, unter Plastikabdeckungen. Der Staat habe eindeutig zu wenig getan, sind sich die Ofners einig. ‚Die Leute bekamen einen kleinen Geldschein in die Hand gedrückt, um sich ihre ganze Existenz neu aufzubauen‘, erzählt Jochen Ofner. Zur nepalesischen Regierung bleibt die Stiftung auf Distanz. Bei all den bürokratischen Hürden wenden sie sich mit Bauwünschen lieber an ihren persönlichen Kontaktmann, Ram Shrestha, den sie aus seiner Zeit als Leiter des Innsbrucker Krankenhauses kennen. Als angesehener Universitäts-Chef könne Shrestha ihre Bauanträge schneller genehmigt bekommen. Sobald dann gebaut werde, überwache Lisa Ofner jeden Schritt genau.
Um dabei auf dem neuesten Stand zu bleiben, lasse sie sich täglich über Facebook und Skype berichten. ‚Die haben absolut gar nichts, aber was sie haben, ist Facebook – das ist das Einzige‘, so Lisa. Sie und ihre Schwester Stefanie seien um das Online-Marketing bemüht und würden sich schon beim Familienfrühstück darüber absprechen, welches Foto mit welchem Text auf der Instagram-Seite erscheinen solle. ‚So kommt der Stein ins Rollen. Das macht es so leicht, zu publizieren‘, sagt Stefanie Ofner. Das Netzwerk werde größer, immer mehr Leute wollten mit nach Nepal reisen. Insofern ist das ‚Share‘ im Namen der Stiftung auch mit moderner Konnotation zu verstehen: Der Button, der die Nachricht verbreitet – das ‚Anstupsen zum Helfen‘, wie Jochen Ofner sagt.
Solch frischen Wind brachte Lisa Ofner auch in das erste Charity-Event der Stiftung, in der Nacht auf Maicens Geburtstag. ‚Das ist der Spirit‘, findet sie. ‚Helfen soll Spaß machen, nicht verpflichten.‘ Drei Monate lang habe sie deswegen auf den Abend am 2. Februar im Hearthouse hingearbeitet. Letztlich habe Energy-Moderator Bene Gutjan die Show geschmissen und die Summen in die Höhe getrieben, als sich die Gäste bei einer Versteigerung gegenseitig überboten. Ein signiertes Messi-Trikot etwa kam für 15 500 Euro unter den Hammer. Mit dem Erlös aus Goldschmuck, Fotokunst und einer Tombola, bei der jedes Los gewann, konnte die Share Happiness Foundation summa summarum 150 000 Euro einnehmen. ‚Ein Mittagessen kostet in Nepal nur 24Cent‘, betont Lisa Ofner. ‚Jeder hat also die Möglichkeit, mit kleinen Beträgen zu helfen, jeder.‘
Und dazu wollen die Ofners auch möglichst bald wieder Gelegenheit geben: Das nächste Charity-Event, bei dem sich alles trifft, was eine Mala-Kette hat – oder noch eine will, ist schon in Planung:
Es soll ein tibetanisches Terrassenfest für die Jugend werden.